Als Nintendo im November 2016 erstmals das NES Classic Mini veröffentlichte, reichten die produzierten Stückzahlen der hohen Nachfrage nicht aus, so dass die Konsole in nahezu allen Geschäften vergriffen war. Ein Jahr später erschien dann das SNES Classic Mini.
Andere Konsolenhersteller sahen den großen Erfolg der Retrokonsolen und brachten ebenfalls Mini-Varianten heraus. Doch weder das Neo Geo, der C64 noch die PlayStation Classic kamen auch nur annähernd an den Verkaufszahlen der beiden Nintendo Konsolen heran. Die PlayStation Classic war ein Desaster und somit endete der große Boom der Minikonsolen nach nur 2 Jahren.
Doch zumindest Sega Japan wollte für Ihre damals erfolgreichste Konsole (die in den USA eine ernsthafte Konkurrenz zu Nintendo war) noch eine Miniaturausgabe herausbringen. Das Sega Mega Drive Mini erschien bereits letztes Jahr im Oktober für ca. 80 Euro. Obwohl an sich die Konsole von der Qualität und Auswahl der Spiele gut war, wurde sie kaum beachtet und erst kürzlich im Preis reduziert.
PC Engine Mini
Damit habe ich nun wirklich nicht mehr gerechnet: Sehr spät und nach einer langen Vorbestellzeit erschien am 19. März 2020 die PC-Engine Mini von Konami in drei Gehäusevarianten (PC Engine für Japan, Core Grafx für Europa und Turbo Grafx 16 für den amerikanischen Markt). Das ist vorerst die letzte Mini Konsole aus der 8- bzw. 16-Bit Generation gewesen.
Die PC Engine war eine Spielekonsole von NEC, die in Zusammenarbeit mit Hudson Soft am 30. Oktober 1987 in Japan erschien. Ein Jahr später folgte das CD-Rom2 als Hardwareerweiterung. NEC legte den Grundstein für das neue Speichermedium der nächsten Konsolengenerationen.
Die PC Engine zählt bis heute zu den besten Spielekonsolen und übertrifft in vielen Bereichen das Sega Mega Drive um längen. In späteren Spielen konnten bedeutend mehr Farben gleichzeitig dargestellt werden und der Chiptune Sound klingt angenehmer als die blechernen Töne beim Mega Drive. Ein Erfolg außerhalb Japans, als Turbo Grafx 16 in Amerika, war nur mäßig. In Europa wurde das Gerät nur Testweise mit einer Handvoll Spielen veröffentlicht. Nach dem gescheiterten Versuch mit der PC-FX als Nachfolger, verabschiedete sich NEC etwa Mitte bis Ende der 90er Jahre endgültig vom Konsolenmarkt.
Konami hat bei den Spielen eine gute Auswahl getroffen. Es befinden sich insgesamt 58 Spiele (darunter 34 japanische und 24 amerikanische), allerdings sind 5 davon in der jeweiligen Landesversion doppelt vorhanden. Mit insgesamt 53 verschiedenen Spielen plus 3 versteckten Bonustiteln ist die Auswahl deutlich größer als bei Sega und Nintendo.
Da die PC Engine hauptsächlich in Japan vertreten war, sind einige Spiele mit japanischen Bildschirmtext wegen der Sprachbarriere kaum spielbar. Durch die vielen unterschiedlichen Genres, meistes aus dem Bereich Shoot`em Ups, Action und Adventures, erhalten auch Nichtjapaner eine angemessene Gegenleistung. Das liegt vor allem an den Spielen Dracula X, Star Parodier, Soldier Blade, Lords of Thunder, Valkyrie oder Neutopia 1 & 2.
Liefersituation und Verfügbarkeit:
Die PC Engine Mini wird derzeit nur über Amazon Japan vertrieben. Aktuell ist hier die weiße japanische Variante sowie die Core Grafx und die amerikanische Turbo Grafx 16 bestellbar. Der Preis mit Zoll und Shipping beträgt etwa 120 Euro. Wer keine Kreditkarte besitzt, kann die Konsole über einen Zwischenhändler mit einem Aufpreis bestellen.
Ursprünglich war geplant, die Core Grafx für europäische Kunden auch in England, Frankreich und Italien zu vertreiben. Durch die aktuelle Covid-19 Situation und der geringen Nachfrage ist davon auszugehen, dass mit einer besseren Verfügbarkeit erst in den kommenden Monaten zu rechnen ist. Für Sammler im deutschsprachigen Raum ist ohnehin die japanische Variante die interessanteste.
Hardware und Zubehör
Konami hat für die Herstellung der Konsole die Firma Hori beauftragt. Die Software für die Emulation stammt von M2. Da das System in etwa dem Sega Mega Drive Mini entspricht, kann davon ausgegangen werden, dass in naher Zukunft weitere Spiele über einen inoffiziellen Hack hinzugefügt werden können. Das Gehäuse ist nur unwesentlich kleiner (ca. 2cm in Breite und Tiefe) als die Originalhardware.
Lieferumfang:
Wie bei allen anderen Mini-Konsolen befindet sich kein Netzteil im Lieferumfang. Man benötigt ein handelsübliches 5V USB Netzteil, laut Herstellerangaben allerdings mit 2 Ampere. Ansonsten ist noch jeweils ein USB- und HDMI Kabel, sowie ein Controller und die Bedienungsanleitung in der Verpackung mit dabei.
Controller:
Der Controller entspricht der ersten Version von 1987, unterscheidet sich aber optisch etwas vom Original (NEC Logo fehlt). Das Steuerkreuz empfinde ich bei dem Druckpunkten etwas härter. Die Kabellänge des Controllers ist bei 3 Meter sehr großzügig ausgefallen. Zusätzliche Controller mit Dauerfeuer bzw. Trigger Funktion sowie der Mehrspieleradapter sind ab Ende April lieferbar.
Menü:
Das Menü der PC Engine Mini finde ich als sehr gut gelungen. Da M2 bereits die Software für das Sega Mega Drive Mini entwickelt hatte, ist vieles davon identisch. Auch ist eine Menüführung in deutscher Sprache verfügbar.
Beim TG16 Umschaltpunkt (unten rechts) wechselt man zwischen beiden Ländersystemen, wo die Spiele zwischen PC Engine/Core Grafx (Japan) und Turbo Grafx 16 (USA) aufgeteilt sind. Mit Select + Run kommt man im Spiel zurück zum Menü. Hier kann u.a. der Fortschritt abgespeichert werden.
Kleiner Tipp: Hält man beim auswählen eines Spieletitels die Select-Taste gedrückt, können die Spiele Gradius und Fantasy Zone mit geänderten Farbpaletten gespielt werden. Bei Soldier Blade schaltet man hiermit die Caravan Stage frei. Außerdem können durch diesen Weg die CD Spiele mit den alten Systemkarten gebootet werden, um so die „Error“ Screens zu sehen. Setzt man den Cursor auf das Spiel Tokimeki Memorial und drückt zweimal hintereinander die Select-Taste, kann das Shmup Force Gear gespielt werden (3x Select für Twin Bee Returns).
Sehr nett gelungen ist auch die Simulation des CD Laufwerkgeräusches und wie die HuCards eingesteckt werden. Kenner der Konsole fällt dabei auf, das M2 für die HuCards das gleiche Artwork hergenommen hat wie für die Spielehülle und nicht wie im Original, wo sich die Aufdrucke der HuCard zum Cover unterscheiden (z.B. Neutopia).
Bilddarstellung:
Die PC Engine Mini gibt eine Auflösung von 720p aus. Die Spiele entsprechen der amerikanischen und japanischen Version und laufen auch bei der europäischen Core Grafx unverändert in 60 Hz ab.
Von den fünf Bilddarstellungs-Optionen bietet nur der dritte Modus (8:7) bei den meisten Spielen eine fehlerfreie Darstellung und entspricht (wie schon beim NES & SNES Mini) der Pixelgenauen Darstellung. Das Bild ist dadurch etwas schmaler, kann aber bei einigen Fernsehern wie z.B. den OLEDs von LG im Seitenverhältnis angepasst werden. Nur bei wenigen Spielen mit höherer Auflösung (Daimakaimura, Ninja Spirit und R-Type) gibt es keine Möglichkeit für besseres Scaling. Alle anderen Optionen verwenden eine einfache Pixelwiederholung, wo beim Scrolling unschöne Artefakte entstehen.
Der CRT Modus kann für alle Fernsehbildoptionen manuell dazugeschaltet werden. Leider ist der Filter mit dem Sega Mega Drive Mini identisch. Das Bild ist sehr unscharf, die Scanlines sind zu stark und treffen die Pixelzeilen nicht richtig. In der Praxis ist das Feature auch beim normalen Sitzabstand am TV unbrauchbar.
Zu guter Letzt gibt es noch als Gimmick den Turbo Express Modus, der die Qualität des damaligen Bildschirmes auf dem Handheld gut wiedergibt.
Emulation und Input-Lag:
Die Emulation der Spiele ist sehr gut gelungen. Der Input-Lag ist vergleichbar niedrig wie beim SNES Classic.
Musikausgabe:
Die Tonwiedergabe ist nahezu akkurat. Fehler wie beim NES Mini ( z.B. verzögerte Soundeffekte) oder nicht ganz gut klingende Chiptunes wie beim Mega Drive Mini sind nicht vorhanden.
Fazit:
Die PC Engine Mini gehört neben dem SNES Classic Mini zu den besten Mini-Retrokonsolen. Die Menüs und die Emulation ist gut gelungen und die Spieleauswahl ist ansprechend, auch wenn ein paar Klassiker wie z.B. Mr. Heli, Aio Blink oder Coryoon fehlen. Leider hat sich M2 bei den Bildoptionen wenig Mühe gegeben. Das SNES Classic Mini ist in diesem Punkt (1:3 Filter und Scanlines) eine deutliche Ecke besser. Ein wohlverdienter 2. Platz knapp hinter dem SNES Classic Mini.
Kaufempfehlung: 8/10
Bücher und Sammeln…
Die PC Engine ist unter den Sammlern und Liebhabern ein Geheimtipp. Die PCE Perfect Collection von Peter Wahsmuth ist das einzige deutschsprachige Buch mit vielen Informationen zu den wichtigsten Spielen, Gerätevarianten und Zubehör. Leider ist die Bibel schon seit längeren nicht mehr erhältlich. Sammler freuen sich hingegen auf den bereits seit 2 Jahren erhältlichen Katalog, bei dem jedes in Japan erschienende Spiel mit Cover und Bildschirmfotos detailliert abgebildet ist.